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Interview mit Olivier Dubois
Veröffentlicht am 10.07.2024
- Interview
Meine Auserwählte, die Samurai
In seiner dritten Variation auf Le Sacre du printemps, einem Auftragswerk für Tanz Bozen mit dem Titel For Gods Only / Sacre #3, wendet sich der französische Künstler Olivier Dubois, dem Festivalpublikum seit Jahren mit seinem aufmüpfigen und zuweilen bissigen Stil bestens bekannt, wieder der Gegenwart zu. Für die Interpretation verpflichtete er die Ausnahmeballerina und Étoile der Pariser Oper Marie-Agnès Gillot, die sich für diese Rolle in eine Samuraikriegerin verwandelt.
Warum haben Sie mit Sacre drei Mal das gleiche Werk gewählt und wo sind die Unterschiede?
Ich wollte Sacre nie für mehrere Tänzer:innen inszenieren, das wurde in der Vergangenheit schon oft und gut gemacht. Was mich eher interessiert, ist die Arbeit mit einzelnen Protagonist:innen. Sacre ist für mich eine Art Vehikel, ich benutze die Musik wie ein Werkzeug. In meinem ersten Stück ging es um ein wichtiges Thema: die Beziehung des Künstlers zu seiner Muse (im konkreten Fall zum zweiten Beteiligten eines langen Kusses, Anm. d. Red.). Beim zweiten Mal ging es um Entführung, aber auch um einen Blick auf die Entstehungsgeschichte des Stücks selbst. Maurice Béjart hatte nämlich einmal zu Germaine Acogny gesagt: „Tu sera mon élue noire“, doch dafür ergab sich nie eine Gelegenheit. Also habe ich Germaine gefragt, ob sie mit 70 Jahren noch meine „élue noire“ sein möchte, meine auserwählte Protagonistin für Sacre? So kam das zustande.
Und wie kam es zu dem dritten Stück mit Marie-Agnès Gillot?
Marie-Agnès Gillot wollte über Götter zu sprechen. Wenn man zur Legende wird, tritt man in einen Zustand ein, der außerhalb des normalen Lebens, wie in einer Art Wachkoma stattfindet. Hier gibt es eine Parallele zur Mythologie: Lebende Legenden wie Gillot müssen einen Preis für ihren Ruhm zahlen, sie dürfen nicht altern. Sie müssen für immer die bleiben, die sie in den Köpfen der Menschen sind. Alle anderen wachsen und altern weiter, doch jene Göttinnen und Götter der Mythologie kennen den Tod nicht. Und auch nicht das Leben. Sie existieren in der Ewigkeit.
Wie haben Sie die Gesten und Bewegungen erarbeitet?
Ich setze Marie-Agnès Gillot so in Szene, dass sie fast wie ein echter Samurai wirkt, in einem Kostüm, das an die japanische Tradition angelehnt ist. Es geht um Ehre und Disziplin. Gillot ist eine Kriegerin: Um Ehre zu erlangen, muss sie einiges erleiden, einen hohen Preis zahlen. Eine Legende zu werden bedeutet auch, der eigenen Zukunft beraubt zu werden, des Abschiednehmens, des Todes. Man wird zum Museum seiner selbst.
Von Sergio Trombetta
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